Wie ich meine ersten Lesungen hielt und dabei meine Antagonistin besser kennen lernte

FREMD - Eine Frage der Perspektive(n)
Geschichten vom fremd sein, fremd fühlen und fremd bestimmt sein
(Gruppenlesung des »Forum Wort«, der Schreibgruppe des Berliner Autorenstammtischs)


Aliens, Pfauen, Hospizpflegerinnen - das Fremde begegnete uns an diesen beiden Abenden in vielerlei Gestalt.
Autorinnen und Autoren, die sich dem vielschichtigen Thema „fremd“ annähern, und das aus ganz unterschiedlichen Richtungen, das war in der AutorInnen-Gruppe unser Projekt für das Jahr 2019 gewesen, das wir nun in zwei Lesungen im Rahmen der Sprachwoche einem gemischten Publikum präsentierten.
Am ersten Abend luden wir dazu ins „Ori - Zentrum für künstlerische Medien“ in Neukölln ein. Farbige Wände, eine gut bestückte kleine Bar, experimentell belichtete Schwarz-Weiß-Fotografien von blinden KünstlerInnen - das passende Ambiente für unsere ungewöhnlichen Vorträge. Hier trugen neun von uns ihre ersten Perspektive vor. In schummrigem Licht und vor bunt zusammengewürfelten Sitzmöbeln, die durch die Eckkneipe kurzerhand aufgestockt wurden, damit unsere ZuhörerInnen nicht stehen mussten,
Wer die andere Perspektive der Geschichten hören wollte, folgte uns am nächsten Tag quer durch die Stadt in die Freie Universität Berlin nach Dahlem und damit in ein ganz anderes Milieu.
Vielfalt in jeglicher Hinsicht
In den Texte begegneten uns ganz unterschiedliche Facetten von Fremdheit, berührend, böse und nachdenklich. Dabei bewegten wir uns durch die verschiedenen Genres: Von Fantasy über Gegenwartsliteratur bis Science Fiction und Lyrik.
Viele Teile – ein Ganzes
Trotz der literarischen Bandbreite waren alle Texte verbunden durch die Annäherung an das gemeinsame Thema „fremd“.
Ein Ereignis - zwei Geschichten
Jede/r der neun Autorinnen und Autoren erzählte dabei dasselbe Schlüssel-Ereignis zweimal, jeweils aus einer anderen Perspektive.

Die Figur der Antagonistin: die personifizierten Widerstände der Heldin
Meine Beitrag zu den Lesungen war - nicht weiter überraschend - Fantasy.
Und nicht nur das, er erzählt einen Teil der Vorgeschichte von Elira. Und zwar bringt er uns eine Figur näher, die der LeserIn in Roman fast bis zum Schluss eine schattenhaft fremde Bedrohung  bleibt: die Antagonistin. Denn (fast) jeder gute Roman lässt die Protagonistin nicht nur an Herausforderungen, Verlockungen und Gefahren wachsen, sondern stellt ihr auch eine Figur entgegen, die all das personifiziert.
Bei meiner Arbeit an „Elira“ hatte ich mich zunächst dagegen gesträubt: Mir erschienen Gesellschaft, Ignoranz und eigene Zweifel Gegenspieler genug. Das Leben stellt uns ja auch selten eine einzelne Person entgegen, in der sich alle Hemmnisse manifestieren, sondern viele fiese Erlebnisse und Kränkungen, die uns entmutigen - oder uns eben wachsen lassen.
Aber ein Roman ist nicht das Leben. Handlungen und Beschreibungen sind verdichteter, die Leser*innen benötigen einen roten Faden und faire Hinweise auf die Lösung. Ebenso ist es überzeugender, wenn die Protagonistin eine Antagonistin besiegt und nicht die ganze Gesellschaft in ihrer Ignoranz und Ungerechtigkeit.
Das leuchtete mir ein.

Ich wollte aber auf keinen Fall ein Urböses mit einem diffusen Weltvernichtungsplan entwickeln, das abgrundtief finster ist, einfach, weil es so erschaffen wurde.
Nein, meine Gegenspielerin sollte plausibel und wenn auch nicht zu sympathisch doch emotional überzeugend sein.
Ob es mir gelungen ist, das müsst ihr selbst sehen.
Das Publikum der Lesungen jedenfalls fühlte mit ihr und ahnte nicht, welche düstere Rolle sie in meinem Roman spielt.

Ein fremder Teil des Autorinnen-Lebens gemeistert
Und ich, ich brachte meine ersten Lesungen hinter mich, mit etwas Lampenfieber - ich organisierte ja auch die erste davon und fühlte mich entsprechend verantwortlich für alles von der Technik bis hin zur Bestuhlung und moderierte auch den Abend.
Alles in allem bestätigte sich meine Hoffnung, das dieser Teil des Autorinnenlebens mir gefällt. Lesungen sind eine wunderbare Erfahrung. Es ist schön, die Reaktionen des Publikums direkt zu erleben, denn wenn sie mein Buch lesen, kann ich sie ja nicht beobachten.
Und am schönste ist es, diese Erfahrung gemeinsam mit anderen zu machen, die sich gegenseitig ermutigen und loben - und vielleicht sogar einen Sekt dabei haben  (danke Laszlo!)

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